28.11.2022

Gas wegnehmen, schneller werden

Die Klimakrise wird teuer: Teuer für unsere Generation, weil wir die steigenden Energiekosten nur noch schwer stemmen können. Teuer, weil wir mit steigenden Ausgleichs- und Strafzahlungen für die Nichteinhaltung von immer strenger werdenden Bau- und Energievorgaben rechnen müssen. Vor allem aber teuer für die zukünftige Generation, weil sie teils irreparable Schäden an unserer Umwelt nur noch schwer ausgleichen können. Aus meinem persönlichen, aber auch geschäftlichen Alltag heraus verfolge ich das Thema Klimaschutz sehr intensiv. Ich habe kein Interesse, Angst oder Unmut zu schüren. Dennoch merke ich: Geschwindigkeit ist bereits jetzt ein wichtiger Faktor, um die zukünftigen Kosten gering zu halten.

GOP 27 – der Weltklimagipfel. Vor Kurzem ging er in Ägypten zu Ende. Wir konnten es den Nachrichten entnehmen: Bis auf wenige Minimalkompromisse und Zusagen dafür, was irgendwann mal zukünftig passieren muss, ist bei diesem Gipfel erneut wenig entschieden worden. Bemerkenswert für mich war dennoch, wie präsent das Thema der Gebäudedekarbonisierung auch dort diskutiert wurde. Weltweit führende Vertreter:innen der Branche waren in Sharm El-Sheikh. Das Verständnis dafür, dass auch Gebäude einen erheblichen Teil zur Klimaveränderung beitragen, ist angekommen.

Blicken wir beispielhaft nach Indien: Das Land hat auf der GOP 27 bekannt gegeben, den Übergang hin zu sauberer Energieerzeugung energischer voranzutreiben. Der Energieverbrauch im Gebäudebereich soll radikal reduziert werden – parallel zum Pro-Kopf-Verbrauch an Energie. Das Ziel: Net-Zero-Emissions in Indien bis 2070. Das ist bemerkenswert für ein Land dieser Größe. Gleichzeitig ist es für den drittgrößten Produzenten von CO2-Emissionen eine lange Zeit und ein langer Weg. Ein Weg, auf dem viel passieren kann. 

Auch die USGBC war vor Ort in Ägypten. Die USGBC ist das U.S. Green Building Council. Eine 1993 gegründete Organisation aus Firmen, Nonprofits und Architekten, die es sich auf die Fahne geschrieben haben, den Wohnungsbestand in den USA nachhaltiger zu machen. Sie haben das sogenannte LEED-System ins Leben gerufen. Mit diesem Framework können Gebäude in den USA zertifiziert werden. Ihr Resümee der Konferenz: Technologie ist ein entscheidender, aber unterschätzter Schritt, weltweit die Dekarbonisierung voranzutreiben. Regelmäßige Leser:innen meiner Beiträge wissen: Für mich ist die einfache technologische Nachrüstung unserer Bestandsgebäude ein wesentlicher Pfeiler für die nachhaltige und kurzfristige Verbesserung unserer Gebäude.

Jetzt wird es teuer

Was von vielen Beobachter:innen der Konferenz als Erfolg gewertet wurde, war ein Fortschritt bei Thema der Ausgleichszahlungen an besonders betroffene Länder. Herausforderungen bleiben. Vor allem China, aber auch die USA möchten sich solchen Zahlungen entziehen. Wie die Höhe und die Verteilung aussehen könnten, wurde auf der Konferenz überhaupt nicht diskutiert. Knapp 3,3 Milliarden Menschen leben in Gebieten, die kurz-, lang- und mittelfristig die schweren Auswirkungen des Klimawandels spüren werden. Wir werden diesen Menschen helfen müssen. Und ja, wir werden hierfür auch erheblich zukünftige Ausgaben einplanen müssen. 

So weit die globale Perspektive. Verkleinern wir den Maßstab. Blicken wir nach Europa. Auch hier beobachten wir in verschiedenen Bereichen, dass die Kosten für Klimaauswirkungen und eine mangelnde Dekarbonisierung unserer Gebäude steigen werden. Erst vor wenigen Wochen haben sich die zuständigen Ministerinnen und Minister auf neue und strengere Vorgaben für die Energieeffizienz von Gebäuden geeinigt. Auch hier handelte es sich um einen Kompromiss. Der beschlossene Entwurf blieb hinter der ursprünglichen Forderung der Kommission zurück. Und dennoch: Alle neuen Gebäude müssen bis 2030 klimaneutral sein – das ist in circa sieben Jahren. Alle Bestandsgebäude sollen bis 2050 klimaneutral sein. Menschen aus der Bau- und Gebäudeindustrie wissen, das ist kein ausnehmend langer Planungszeitraum. Und auch der Weg dorthin wird immer reglementierter, strenger und teurer. Der durchschnittliche Primärenergieverbrauch des gesamten Wohngebäudebestands soll dann bis 2033 mindestens dem Niveau der Gesamtenergieeffizienzklasse D entsprechen. Viele Gebäude müssen nachrüsten. 

Sollte man diese Ziele nicht erfüllen können, drohen Strafzahlungen. Auf Grundlage einer Untersuchung des Freiburger Öko-Instituts hat der Bundesverband energieeffiziente Gebäudehülle (BuVEG) die möglichen Strafzahlungen aus den neuen Zielverschärfungen der EU hochgerechnet. Das Ergebnis: Bis 2030 fehlen Deutschland bei den aktuellen Vorgaben insgesamt 594 Millionen Zertifikate. Das entspräche Strafzahlungen in Höhe von 89,1 Milliarden Euro. Beachten wir, dass der BuVEG ein Interessensverband ist. Dennoch: Wenn wir nicht schneller agieren, sind diese Art von Strafzahlungen sicherlich nicht unrealistisch. 

Jeden Euro, den wir jetzt ausgeben, ist ein guter Euro

„Drei Zimmer, Küche, Bankrott“, titelte der Spiegel in einer seiner letzten Ausgaben. Darin zu lesen bereits ein Vorgeschmack auf alles, was großflächig auf die Immobilienbranche zukommen kann: Menschen, die keinen Zugang mehr zu Wohnungen haben, auch weil die Preise zu hoch sind. Explodierende Energie- und Nebenkosten, die viele zu einem Umzug zwingen. Das Grundcredo des Artikels: Nur Investitionen können uns retten; doch diese kommen zu spät. 

Deswegen gilt: Jeden Euro, den wir jetzt ausgeben, um unsere Gebäude schnell nachhaltig zu sanieren, ist ein guter Euro. Schöpfen wir die Möglichkeiten, die sich uns jetzt bieten. Treiben wir vor allem die Digitalisierung unserer Gebäude schnell und unbürokratisch voran. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, auch im Kleinen aktiv zu werden. Um zu handeln, brauchen wir nämlich nicht nur große Konferenzen. Oftmals reicht ein kleiner Start.