21.12.2022

Ein Jahr, das alles verändert

Gerade in diesem Moment, als ich diese Zeilen schreibe, kommt die Meldung des Ifo-Instituts: Die Wirtschaft schöpft wieder Hoffnung. Die Stimmung unter den Führungskräften in Handel, Industrie und Gewerbe erholt sich leicht. Eine kleine versöhnliche Nachricht zum Ende dieses Jahres. Denn man sucht sie. Die guten Nachrichten. Die versöhnlichen Augenblicke. 2022 war erneut ein sehr herausforderndes Jahr. Global und hier in Deutschland. Gesamtgesellschaftlich und für die Immobilienbranche im Speziellen.

Am Anfang allen Übels stand der Krieg

Der schreckliche Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine war natürlich das prägendste Ereignis dieses Jahres. Voraussichtlich dieses Jahrzehnts. Vielleicht sogar noch mehr. 

Ein Krieg verändert alles. Deswegen gehört die volle Aufmerksamkeit und Anteilnahme weiterhin dem ukrainischen Volk. Menschen, die über Nacht alles verloren haben. Wir müssen weiterhin alles dafür tun, diesen Menschen zu helfen und unsere volle Unterstützung und Solidarität zu zeigen. Das können wir im Kleinen und im Großen. 

Dieser Krieg war aus mehreren Gründen ein Wachrüttler. Der Traum von ultimativer Sicherheit in der westlichen Welt ist vorbei. Der Albtraum von Bomben, Angriffen auf Zivilist*innen und kriegerischen Gräueltaten ist auf dem Boden Europas wieder Realität. 

Außerdem wurden wir aus einem energiepolitischen Tiefschlaf gerissen. Und leben nun in einer Realität, in der wir erkennen müssen, dass die fossilen Brennstoffe, auf die wir die letzten Jahrzehnte vertraut haben, teuer eingekauft werden müssen. Wenn nicht teuer im Preis, dann teuer durch eine geopolitische Zwickmühle, in der wir uns befinden.

Für Innovation in der Immobilienbranche ist der Ausstieg aus Gas ein Beschleuniger

Die Top-4-Länder mit den größten Gasvorkommen sind Russland, der Iran, Katar und Saudi-Arabien. „Such dir deinen zukünftigen besten Freund aus“, schrieb der niederländische Ökoaktivist und Gründer der Umweltberatung „Common Futures“, Kees van der Leun zynisch unter diese Statistik.

Was hat das alles mit der Immobilienbranche zu tun? Sehr viel. Ich weiß aus eigenen Erzählungen, dass vielerorts in der Baubranche die Telefone nicht mehr stillstanden. Wie ersetzen wir am schnellsten eine Gasheizung? Kann ich mein Gebäude weiter isolieren? Was kann ich tun, um weniger Energie zu verbrauchen? Auch die Bau- und Immobilienbranche wurde wachgerüttelt. Die aktuelle Krise zwingt plötzlich, nachhaltige und innovative Prozesse schneller und vehementer voranzutreiben. Brauchten viele wirklich erst eine solche Krise, um zu verstehen, wie wichtig Investition in Nachhaltigkeit und Innovation ist?

Endlich erhält Proptech die Aufmerksamkeit, die sie verdient

Meiner Meinung nach ist schon lange klar, dass die Branche nachhaltiger werden muss. Nachhaltiger im Sinne der Ökonomie, weil effektivere Technologie echte Sparpotenziale schafft. Nachhaltiger aber auch im Sinne der Ökologie, wenn durch einfachere Nachrüstung eine höhere Effizienz gewährleistet werden kann. Und nachhaltig natürlich gesellschaftlich, wenn wir weniger Ressourcen verbrauchen oder verschwenden und uns dadurch weniger abhängig von externen Lieferanten machen. 

Wir hätten vorher schneller und direkter agieren müssen. Aktuelle Anstrengungen reichen laut einem aktuellen Bericht der Vereinten Nationen nicht aus, um den CO2-Beitrag von Gebäuden weltweit zu reduzieren und die Abhängigkeit fossiler Energieträger zu reduzieren. Wir müssen uns mehr anstrengen. Den Blick weiten. Die UN sieht neben baulichen Eingriffen auch die Digitalisierung als einen wichtigen Faktor, die Immobilien auf der Welt zukunftsfähiger zu machen. Das schreibt sie in ihrem United Nations Environment Programme, einem umfassenden Programmpapier, das am Rande des Weltklimagipfels dieses Jahr vorgestellt wurde.

2022 – ein Jahr der Umbrüche; diesmal wirklich

Wir leben im permanenten Umbruch. 2020 der Umbruch durch die Corona-Pandemie, 2021 der Umbruch nach 16 Jahren Merkel. Jetzt ein gewaltiger Umbruch durch eine fundamentale Krise. 

Auch aus der Perspektive der Immobilienwirtschaft hat uns dieses Jahr 2022 vor Augen geführt, wie schnell ein bequemes Daunenbett zu einer kalten Betonplatte werden kann. Wie schnell sich eine sichergeglaubte Normalität verändern kann. Mein Fazit für 2022 ist, dass die Branche hoffentlich erkannt hat, dass es lohnen kann, künftig auch in „ruhigeren“ Zeiten mehr zu wagen. Mehr auf Innovation zu setzen. Mehr in die Zukunft zu investieren, anstatt die Gegenwart zu verwalten. 

Das ist mein Wunsch für die Immobilien- und Gebäudebranche für 2023. Dass wir offener in die Zukunft gehen. Trotz der Positiv-Meldung des Ifo-Instituts sagen viele Expert:innen ein unruhiges Jahr 2023 vorher. Wir können dem aktiv entgegensteuern. Weiter für eine bessere Zukunft arbeiten. Heißt auch, weiter in eine bessere Zukunft zu investieren. Dieses Jahr war ein Jahr, in dem wir in der Branche und darüber hinaus viel gelernt haben; viel lernen mussten. Doch das Gelernte kann nur nützlich sein, wenn wir es anwenden.